Hast du schon mal von dem Begriff Präsentismus gehört? Nein? Ich bisher auch nicht. Obwohl ich das, was sich dahinter verbirgt, nur allzu gut kenne. Laut Wikipedia bedeutet Präsentismus (aus dem Englischen "presenteeism"), so etwas wie „Anwesenheitspflicht“. Im Bereich der Arbeitswissenschaften beschreibt es das Verhalten von Erwerbstätigen, die trotz einer Erkrankung zur Arbeit zu gehen.
Die Gründe dafür liegen im Erwerbstätigen selbst. Das Gegenteil von Präsentismus ist der Begriff Absentismus. Weiter heißt es bei Wikipedia: "Der Begriff des Präsentismus wurde vom US-amerikanischen Arbeitswissenschaftler Auren Uris im Jahre 1955 eingeführt. Er verstand darunter lediglich die Verbesserung der Anwesenheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz. Dem Autor ging es vorrangig um Kostensenkungen durch Verringerung des Absentismus. Deshalb lautete die Überschrift seines Aufsatzes auch Wie man Präsentismus aufbaut.
Der heutige Begriffsinhalt Weiterarbeiten trotz Krankheit entwickelte sich erst später", ebenso wie die daraus folgenden, teilweise negativen Konsequenzen. Dafür aber in rasantem Tempo. Und obwohl es sich ursprünglich vorwiegend auf festangestelltes Personal bezog, und auch heute nach wie vor sehr weit verbreitet ist, gehört Präsentismus nun auch schon seit langem zu einem Phänomen bei Selbständigen. Denn der hohe Druck, Termine einzuhalten, Kostendeckend zu arbeiten und Gewinne zu erzielen, genügend Aufträge zu generieren, gute Ergebnisse abzuliefern, sprich sein gesamtes Business erfolgreich zu wuppen - und das oft allein -, führt bei vielen Unternehmern unweigerlich dazu, ständig präsent zu sein.
Beziehungsweise zu dem Glauben, permanent anwesend sein zu müssen. Getreu dem Motto "Selbstständig sein, bedeutet selbst und ständig zu arbeiten". Obwohl der Begriff Präsentismus zwar bislang nicht einheitlich definiert ist, findet sich ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung immer wieder damit konfrontiert. Mit teilweise unangenehmen Folgen, vor allem für Selbständige.
Kennst du dieses Phänomen eigentlich auch ? Wir klären heute ein wenig über dieses Thema auf.
Warum sich Präsentismus letztlich immer negativ auswirkt
Selbstständige und Freiberufler können es sich vielfach einfach gar nicht leisten, krank zu sein, weil sich dies schnell existenzgefährdend auswirken könnte. Dass heißt gerade Unternehmer setzen häufig ihre Gesundheit aufs Spiel, weil sie denken, arbeiten zu müssen beziehungsweise nicht fehlen zu dürfen, obwohl sie krank sind. Vergessen hierbei aber, dass es eigentlich wesentlich existenzbedrohender ist, krank weiter zu arbeiten, weil sie damit letztlich einen längeren Ausfall riskieren.
Im Zusammenhang mit dem Gesundheitsaspekt zeigt sich auch immer wieder (zahlreiche Studien belegen das), dass Präsentismus bei Krankheit oder einem schlechten Gesundheitszustand auf Dauer das Risiko von Folgeerscheinungen und -erkrankungen, wie zum Beispiel Burnout, Herz-Kreislauf-Erkrankungen etc., maßgeblich erhöht. Was wiederum eine noch längere oder dauerhafte Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen kann. Dieser Punkt verdeutlicht noch einmal mehr, warum es also mehr als als ratsam ist, sich bei einer Erkrankungen lieber gleich auszukurieren als sie zu verschleppen.
Ein weiteres Kriterium ist, dass sich Präsentismus im Krankheitsfall natürlich auch negativ auf die Produktivität auswirkt. Dies ist im Gegensatz zum obigen Punkt ein eher unmittelbarer beziehungsweise kurzfristiger Aspekt. Denn wer krank zur Arbeit geht, ist lang nicht so produktiv, kreativ und konzentrationsfähig wie ein Gesunder.
Arbeiten auf Kosten der Gesundheit – oder der verquere Umgang mit dem Kranksein
Mit dem Verhalten, das mit Präsentismus in Zusammenhang steht, gerät man schnell in einen Teufelskreis: Wer bei einer Krankheit und sei es nur eine leichte Erkältung nicht riskieren möchte, Aufträge und damit Einkommen zu verlieren, verschleppt diese häufig. Weil man denkt, ach es ist ja nur eine Erkältung, das ist nicht so schlimm, ich kann trotzdem arbeiten. In manchen Fällen ist das vielleicht auch so. In anderen aber nicht, denn auch ein leichter, aber verschleppter Infekt kann gravierende Folgen haben.
Und wenn dann noch über das normale Pensum hinaus Überstunden oder besonders stressige Arbeiten anstehen, wird es für den Körper und die Psyche noch belastender. Obwohl sich viele Berufstätige heute durchaus über dieses Spiel - auch wenn sie es vielleicht nicht unter dem Begriff Präsentismus kennen - und die eventuell negativen Folgen im Klaren sind, passiert es tagtäglich immer wieder - eben aus den oben bereits genannten Zwängen heraus. Und dieses Thema ist wahrlich vielschichtig. Tun es Festangestellte nicht aus finanziellen Ängsten heraus, denn sie bekommen ihr Gehalt (zumindest für einen gewissen zeitlichen Rahmen) ja weiter, gelten bei ihnen eher Pflichtgefühl, Verantwortung dem Unternehmen und den Kollegen gegenüber oder Angst den Job zu verlieren, als Gründe.
Das relativ sichere Netz der Gehaltsfortzahlung fällt bei Selbständigen gänzlich weg. Und der drohende Geldausfall steht deswegen bei dieser Berufsgruppe als Grund, Präsentismus zu leben, ganz oben auf der Liste. Und auf diesem Aspekt baut sich dann der Rest auf beziehungsweise folgt daraus: Existenzsorgen, Angst die Familie nicht mehr versorgen zu können, Aufträge nicht rechtzeitig fertigzustellen oder gar Aufträge und Kunden zu verlieren und vieles mehr. Deshalb pumpen sich viele Freiberufler dann lieber mit Medikamenten voll und versuchen, die Arbeit irgendwie zu schaffen.
Dass das auf Dauer nicht gut gehen kann, ist offensichtlich. Denn damit setzt man nämlich seine Existenz erst recht aufs Spiel und seine Gesundheit oben drauf. Auf Grund dieses Mechanismus` hat sich in den letzten Jahren somit ein ziemlich verdrehtes Verhältnis zum Kranksein entwickelt. Ich muss stark sein; ich muss tapfer sein; ich darf keine Schwäche zeigen; wenn ich mich krank melde, bekommt mein Konkurrent das Projekt - das sind nur einige von vielen Argumenten, die sich dann im Kopf abspielen. Wir können/dürfen es uns schlicht nicht erlauben, auch mal auszufallen - der Leistungsgesellschaft sei Dank!