
Erfahrungsbericht - Welance Coworking Space Berlin
Es ist heiĂ und sonnig als ich mich auf dem Radl in Richtung Kreuzberg zu welance begebe.
Das Coworking Space befindet sich in der NĂ€he vom Kotti, mitten in Kreuzberg, wo sich mittlerweile ja viele Startups und GemeinschaftsbĂŒros angesiedelt haben.
Ich denke mir, wie schade es ist ist, dass es in Berlin noch keine Kiezschilder gibt, wie man sie aus manchen amerikanischen StÀdten kennt, die das China Town oder Little Italy Berlins ausweisen.
In Kreuzberg stĂŒnde hier mittlerweile bestimmt schon âWelcome to new startup town Kreuzbergâ und darunter weinende Alt-68er-Vertriebenen-Gesichter...
Im Hinterhof von einem der mittlerweile sehr begehrten GSG Backsteinbauten finde ich mich im schattig frischen Eingang zu welance wieder, in dem so viele RennrĂ€der stehen, dass man schon erahnt, welche Art von TĂŒftlern sich hier versteckt.


Angekommen im dritten Stock , treffe ich auf Philipp Hentschel. Er ist der GrĂŒnder von welance. FĂŒr unser Interview gehen wir zu der Kafferösterei Bonanza im Hof um die Ecke.
âJa, das ist schon sehr schick hierâ, sagt Philipp, âaber guten Kaffe haben sieâ - ich: âcheck!â
Dieser Hof wird von welance auch fĂŒr Sommerfeste benutzt, die grundsĂ€tzlich mit vielen anderen aus dem GebĂ€ude zusammen organisiert werden.

Philipp hat viel zu erzĂ€hlen und nimmt sich Zeit fĂŒr das Interview und den Rundgang.
Schnell stellt sich heraus, dass die von ihm erzÀhlte Geschichte sich in breiteren Graden bewegt als derer Kreuzbergs; hier geht es konkret um eine Sache: wie arbeiten wir morgen?
Der GrĂŒnder von welance hat sich vor 15 Jahren als Software-Entwickler selbststĂ€ndig gemacht und ist seither richtiger Vollblut-Freelancer. Wie so viele hat er damals den Zuschuss der Schröder Jahre in Anspruch genommen, um eine Ich-AG zu grĂŒnden.
Obwohl der Erfolg fĂŒr ihn persönlich nicht ausblieb, schwebte ihm trotzdem eine andere ArbeitsatmosphĂ€re vor als die, die er im Alleingang erlebt hatte.
Könnte man sich nicht mit anderen Freelancern zusammentun, gemeinsam an Projekten arbeiten, Risiken vermindern, und dabei trotzdem noch die SelbststÀndigkeit wahren?
Das waren die Fragen, mit denen sich Philipp und seine Kollegen auseinandersetzten, als sie vor der welance-GrĂŒndung noch selbst in einem GemeinschaftsbĂŒro saĂen.
Aus diesem Gedanken entsprang dann auch das Projekt, die Namensgebung und das Logo.
Und so ahnt man schon, dass welance kein einfaches âArbeits-Hotelâ ist, in dem Coworker ein- und ausgehen...
Das Coworking Space mit seinen 25 PlĂ€tzen ist âeigentlich wie eine moderne Agenturâ, so Philipp, und somit ânicht nur geteilte Infrastrukturâ.


Vertrauen und daraus resultierende WohlfĂŒhlatmosphĂ€re kommt erst mit der Zeit - so das Credo von welance.
Aber auch ArbeitsablÀufe können sich besser einspielen wenn man hÀufig zusammen arbeitet und sich kennt.
Mit den Leuten, die sich in welance zusammengefunden haben, kann man als Kunde eigentlich die volle Palette an Dienstleistungen, die man fĂŒr digitale Unternehmen braucht bespielen. Von der Konzeption bis zum Design und zur Programmierung, ist alles abrufbar.


Philipp umschreibt die gelungene Zusammenarbeit mit einer schönen Anekdote:
SchmeiĂt man einfach nur irgendwelche Musiker zusammen und will aus ihnen ein Orchester machen, funktioniert das meistens nicht. Erst mit der Zeit und mit der Abstimmung auf Andere kommt es zu einem harmonischen Klang...
Selektiert wird bei welance also danach, ob man sich eine gute Zuammenarbeit vorstellen kann.
Der Gemeinschaftsgedanke bei welance geht dahin, dass man sich gegenseitig bei der Akquise unterstĂŒtzt, an einigen Projekten zusammen arbeitet und gemeinsam die Kosten fĂŒr das BĂŒro trĂ€gt.


Also eine Coworking-Kommune?

Etwas politisches hat das Ganze schon.
Philipp ist es wichtig, sich ĂŒber seine Arbeit hinaus fĂŒr die Rechte und Interessen von Freelancern einzusetzen, die er fĂŒr âunderservedâ in Deutschland und eigentlich ganz Europa befindet.

Ein Beispiel von dem, was das Team bei welance schon so unternommen hat, ist die âDigital Nomad Surveyâ von 2015, die einige interessante Resultate darĂŒber zu Tage befördert wer die modernen Freelancer eigentlich sind (Branche, Alter, Gehalt etc.).
Auch bei der EU Freelancer Campaign von 2014 , die mit einem Manifesto zu mehr Rechten fĂŒr Freelancer in ganz Europa aufgerufen hat, war welance mit dabei.
Abgesehen davon ist Philipp schon als Speaker bei Veranstaltungen wie Work in Progress aufgetreten und veranstaltet mit welance meetups zu verschiedenen Themen, die besonders fĂŒr Freelancer interessant sind.
Am Puls der Zeit ist welance auch damit, dass sie nĂ€chste Woche zu einer âWorkationâ nach Brandenburg aufs Land fahren.
Philipp und seine Kollegen haben also nicht nur die jungen Jahre des Coworkings in Berlin mitgestaltet. Wie mir scheint sind sie dabei, auch die Zukunft von wie wir arbeiten werden, konkret vorzuleben.
Ein paar mehr digitale Nomaden aufm Land wÀren schon gut, denn dort gibts noch eine Menge zu tun (meine Oma hat noch nicht mal WLAN bei sich Zuhause...).
Ob die Nomaden in der SĂ€chsischen Schweiz z.B. nur mit offenen Armen empfangen werden, das sei jetzt mal dahingestellt...
Ich fĂŒr meinen Teil trĂ€ume auf jeden Fall schon von den besten 'Workation'-Retreats auf meinem Weg zurĂŒck in meinen Space , nach meinem anregenden GesprĂ€ch und Rundgang bei welance.
Damit hĂ€tten wir dann gleich auch schon die nĂ€chste Serien-Idee an der Angel - danke fĂŒr die Inspiration, Philipp!