In den letzten 30 Jahren gab es für Freelancer ein ziemliches Auf und Ab, was die Begehrtheit und die Honorare betraf. Mitte/Ende der 1990er beispielsweise war es super easy an freie Jobs zu kommen, die noch dazu super bezahlt wurden. Unternehmen und Agenturen setzten gerne auf Freie, denn dann waren sie im Gegensatz zu festangestellten Mitarbeitern nicht zu vielem verpflichtet, wie zum Beispiel die Zahlung von Sozialabgaben oder die Gewährung von Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dafür belohnten sie professionelle Arbeit mit guten Honoraren und gaben so auch eine Rückmeldung und Wertschätzung für freie Mitarbeiter.
Für mich war das damals eine echte Goldgräberzeit und ich muss leider sagen, so gut lief das nie wieder. Denn mit der Einführung des Euro ging es in diesem Zusammenhang irgendwie bergab. In den darauf folgenden Jahren sank die Anzahl an verfügbaren freien Jobangeboten mehr und mehr und der Kampf auf dem Markt war irre groß. Durch die guten Jahre zuvor gab es natürlich eine hohe Dichte an Arbeitswilligen, die sich das Wörtchen "frei" in den Titel schrieben. Allerdings muss erwähnt werden, dass es dennoch einige Bereiche gab, in denen Freelancer nach wie vor ziemlich gut gebucht und bezahlt wurden. Dazu zählt an vorderster Stelle die IT-Branche und das ist, denke ich, bis heute durchgängig so geblieben.
Für den Rest hat sich das Gefüge meiner Meinung nach nie wieder so ganz erholt - bis vor einem Jahr Corona auf der Bildfläche erschien. Und eine eigentlich sehr negative Entwicklung in fast allen Bereichen unseres Lebens - die jeder kennt und wir deswegen an dieser Stelle jetzt nicht näher darauf eingehen - brachte diese Pandemie auf dem Arbeitsmarkt eine neuerliche und eigentlich positive Neuorientierung. Und die ist unser heutiges Thema.
Im Jahr 2020 hat ein gewisses Umdenken stattgefunden
Durch die verschiedenen Lockdown-Phasen und am Ende auch der verordneten Homeoffice-Pflicht gewann die Nachfrage nach Freelancern wieder an Fahrt. Und ich denke, ein kompletter Bereich, gegen den sich viele Arbeitgeber über Jahre hinweg gesträubt hatten, wurde plötzlich in einem ganz neuen Licht betrachtet. Denn durch die Verpflichtung die Arbeitnehmer von zuhause aus arbeiten zu lassen, das Verbot bzw. die ungeheure Einschränkung in Bezug auf Reisen und die Erkenntnis, dass sich Meetings, Arbeiten und Co. auch ganz einfach und super praktisch vom heimischen Büro aus durchführen lassen, brachte auch in Deutschland ein längst überfälliges und in anderen Nationen durchaus übliches Arbeitsgefüge mit sich.
Leider haben sich, meiner Meinung nach, viele Arbeitgeber zu lange dagegen gewehrt, da ein gewisses Misstrauen gegenüber Angestellten sowie auch freien Mitarbeitern vorherrschte. Und der Glaube, man könne Mitarbeitern - ob nun fest oder frei - im Homeoffice nicht trauen, da man unter anderem die Arbeitszeiten nicht kontrollieren könne. Für mich ein mittelalterliches Denken. Gut, in ein paar wenigen Fällen mag es vielleicht sein, dass Mitarbeiter das ausnutzen. Aber die Regel ist das sicherlich nicht. Vor allem auch, weil Freelancer ja meist für die erfolgreiche Erfüllung eines Auftrages bezahlt werden und auch feste Mitarbeiter im Homeoffice ihr Pensum erreichen müssen.
Somit ist eine Art Kontrolle ja auf jeden Fall gegeben. Allerdings ist ein Maß an Vertrauen in Arbeitskräfte durchaus angeraten und sollte Standard in unserer Gesellschaft sein. Dennoch oder gerade deswegen haben in den letzten eineinhalb Jahren freie Mitarbeiter, Freelancer und Co. insgesamt wieder an Beliebtheit gewonnen.
Aber es gibt außer der oben beschriebenen Entwicklung auch noch andere Beweggründe, warum sich Unternehmen für Freelancer entscheiden. Zum Beispiel wenn ein Solo-Entrepreneur nach einiger Zeit feststellt, dass das Pensum allein nicht mehr zu schaffen ist. Oder dass sich der Geschäftsbereich eventuell erweitern ließe, dafür aber das eigene Knowhow nicht reicht. Dann steht man vor der Frage, stelle ich feste Mitarbeiter ein, suche ich mir einen Geschäftspartner oder setze ich zunächst auf Freelancer und schaue mir an, wie das läuft?
Wie die entsprechende Entscheidung hier aussehen könnte, hängt sicherlich im wesentlichen von der Branche ab und um welchen inhaltlichen Aspekt es sich handelt. Denn in einem Bereich bringt eventuell ein Angestellter mehr Vorteile oder ist dafür besser geeignet. In einem anderen kommt eher ein Freelancer in Frage, weil es für die jeweilige Anforderung einfach besser passt und er sich perfekt auch nur für einzelne Projekte einsetzen lässt.
Was auch einen großen Einfluss auf diese Entwicklung hatte und hat - und zwar unabhängig von Corona - ist die Entstehung völlig neuer Generationen an Berufstätigen, deren Ziele viel mehr von Freiheit, Unabhängigkeit und flexiblem Arbeiten geprägt ist als je zuvor. Junge Leute, die gerne tun, was sie tun, aber dennoch nicht um jeden Preis nur ackern möchten. Die das Vorhandensein von Lebensqualität und Vielfalt im Job mehr schätzen als starre, unflexible Strukturen in unflexiblen Firmen. Und was passt da besser als Freelancertum beziehungsweise eine berufliche Selbstständigkeit.
Natürlich auch hier allem voran die IT-Branche und allem, was sich um digitale Welten handelt. Und es ist klar warum: Corona hat auch hier die Finger im Spiel, denn das rapide Fortschreiten der weltweiten Pandemie hat bei uns in Deutschland die jahrelange Vernachlässigung des digitalen Fortschritts ans Tageslicht gebracht und all die klugen IT-Köpfe hatten wirklich viel zu tun. Aber auch in anderen Bereichen ist es für Freelancer mittlerweile wieder äußerst lukrativ zu arbeiten - obwohl leider immer noch viele Firmen, Agenturen und Unternehmer dieses Thema ignorieren oder gar nicht wissen, wie wertvoll die Beschäftigung freier Mitarbeiter sein kann.