MAIN - Blog Selbständigkeit - "Achtung Falle! Welche 9 Fallen du in deiner Selbständigkeit unbedingt vermeiden solltest"
Zuletzt aktualisiert am 4. Juli 2023
Melchior Neumann
Kontist Steuerberatung
22. März 2019
Wenn du selbständig bist, wirst du sicher bestätigen, dass es mehr Möglichkeiten gibt etwas falsch zu machen als etwas richtig zu machen. Während sich Angestellte auf ihrer vermeintlichen Sicherheit ausruhen, kämpfen viele Selbständige gefühlt jeden Tag gegen Windmühlen.
Der große Unterschied zum Angestellten sind die Konsequenzen deiner Fehler. Während Angestellte in der Regel nicht für Fehler haftbar gemacht werden können, stehen wir Selbständige in der vollen Verantwortung. Das ist der Preis für die Selbstbestimmung und die Freiheit.
Und dennoch wäre es falsch alle Fehler unbedingt vermeiden zu wollen. Wenn du deinen Fokus auf Fehlervermeidung legst, wirst du immer gehemmter agieren und vorsichtiger werden in der Hoffnung nur keine Fehler zu machen. Das Problem: Dadurch vermeidest du auch jeden Erfolg. Du bewegst dich gar nicht mehr.
Mein bester Tipp: Hör auf Misserfolge persönlich zu nehmen. Sieh Fehler als Feedback an und als Hinweis, dass du es in Zukunft anders machen solltest. Wusstest du, dass es in vielen Unternehmen des Silicon Valleys eine richtige Fehlerkultur gibt? Die Mitarbeiter feiern die schlimmsten Fehler zusammen, um dann anschließend gemeinsam daraus zu lernen und besser zu werden.
Also lasst uns mit den Fehlern beginnen! Denn nur wer etwas tut, kann Fehler machen und nur wer Fehler macht, kann besser werden.
Falle 1: Es wird kein Problem gelöst
Vielleicht kennst du ja das Phänomen, dass du ganz begeistert bist von deiner Idee und du fühlst dich schon wie der nächste Steve Jobs. Aber du bist leider der einzige, der das so sieht und keiner möchte dein Produkt kaufen oder deine Dienstleistung in Anspruch nehmen.
Der Grund könnte sein, dass du kein Problem löst. Menschen kaufen keine Produkte, Menschen kaufen Lösungen für Probleme.
Vielleicht kennst du schon das Baumarkt-Beispiel: Die Person, die einen Hammer kauft, möchte keinen Hammer kaufen. Sie kauft das aufgehängte Bild im Wohnzimmer. Hätte sie kein Problem (Das Bild hält ohne Nagel nicht an der Wand), würde sie auch keinen Hammer brauchen und kaufen.
Jedes erfolgreiche Unternehmen löst ein Problem seiner Kunden. Sei es nun der Lebensmittelhandel an der Ecke (Hunger), der Entertainer mit seiner Show (Langeweile) oder wir von Kontist (persönliches Finanzmanagement für Freelancer ist zu schwer).
Je stärker das Problem ist, desto besser wird dein Unternehmen funktionieren. Ein Getränkestand wird in der Wüste deutlich besser funktionieren als im Amazonasgebiet, wo es fast jeden Tag regnet.
Als Selbständiger solltest du immer in Lösungen denken und dich nur auf die Problemlösung konzentrieren. Wenn dein Angebot keine Lösung für eine bestimmte Menschengruppe bietet, wirst du scheitern.
Falle 2: Du schätzt den Zielmarkt falsch ein
Damit kommen wir auch zum zweiten Fehler, der immer wieder gemacht wird.
Wenn du Probleme deiner Kunden lösen sollst, setzt das natürlich voraus, dass du deine Kunden kennst und verstehst. Du solltest deine Kunden besser kennen, als sie sich selbst kennen. Nur wenn du aufmerksam beobachtest und verstehst, wie sie ihre Probleme lösen, kannst du eine bessere Lösung anbieten.
Das ist auch der Grund, warum häufig erfolgreiche Gründungen aus den Reihen der Zielgruppe kommen.
Wir von Kontist sind zum Beispiel ein Konto von Selbständigen für Selbständige. Wir kennen die Probleme und Bedürfnisse der Selbständigen, weil wir selbst welche sind und jeden Tag mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen haben.
Könntest du dir einen Sternekoch vorstellen, der selbst am liebsten bei McDonalds essen geht? Sein Restaurant würde wahrscheinlich grandios scheitern, weil er kein Verständnis für die Kunden anspruchsvoller Küche hat. Er sollte sich lieber auf Fastfood und Systemgastronomie konzentrieren.
Mach dein Ding, nicht deine Steuern
Größe der Zielgruppe
Neben der schlechten Kenntnis der Zielgruppe kann dir auch noch die Größe der Zielgruppe einen Strich durch die Rechnung machen.
Du hast einen coolen Service entwickelt, der Päpsten die Weihnachtsansprachen auf lateinisch schreibt? Und um profitabel zu arbeiten brauchst du nur zehn Kunden? Nun, das ist ungünstig, es gibt nur einen Kunden auf der Welt und Weihnachten ist auch nur einmal pro Jahr. Du solltest deine Idee also nochmal überarbeiten.
Das Beispiel ist überspitzt, verdeutlicht aber ein häufiges Problem. Nur weil du ein Problem hast, deine beiden besten Freunde sagen, dass deine Idee gut ist, bedeutet es noch lange nicht, dass es genug Leute gibt, die für deine Lösung Geld ausgeben.
Falle 3: Fehlende Wettbewerbsanalyse
Selbst wenn du ein brennendes Problem deiner Zielgruppe löst und den Zielmarkt hervorragend kennst, kannst du noch immer scheitern. Du hast keine Chance, wenn deine Konkurrenz besser ist und sich besser verkauft.
Viele Gründer machen bei der Wettbewerbsanalyse einen einfachen und fundamentalen Fehler. Sie übersehen schlichtweg die gefährlichsten Mitbewerber. Deine Konkurrenz sind nicht nur die Unternehmen, die das gleiche machen wie du und ein ähnliches Produkt anbieten. Deine Konkurrenz sind die Unternehmen, die die gleichen Probleme deiner Kunden lösen. Auch und gerade dann, wenn sie es ganz anders machen.
Wir leben in einer Zeit, in der viele Branchen durch ganz andere Problemlösungsansätze umgekrempelt werden oder sich in Luft auflösen.
Weltweit haben Hotels Probleme, weil viele Reisende sich über AirBnB plötzlich in Privatwohnungen einmieten. Der Taxiverkehr hat in vielen Städten der Welt mit der Existenz zu kämpfen, weil Uber mit einer unglaublich großen Macht in den Markt eingedrungen ist. Und es bleibt für die deutsche Wirtschaft nur zu hoffen, dass Google und Apple gnädig mit den deutschen Autobauern sind, wenn sie mit der Elektromobilität ernsthaft loslegen.
Also merke dir: Die Glühbirne wurde nicht erfunden, indem Thomas Edison das Kerzenlicht optimiert hat.
Als Selbständiger ist es deine Pflicht die Augen offen zu halten und dich über neue Trends und Konkurrenten zu informieren. Wenn du das nicht tust, wirst du früher oder später von einer neuen Lösung überrollt und hast keine Chance mehr zu regieren.
Falle 4: Fehlende kaufmännische Kenntnisse
Ich weiß, das Thema ist unsexy und der Traum vom unterschätzten Studienabbrecher, der die Uni geschmissen hat und es jetzt allen zeigt, ist einfach so schön.
Aber sind wir einmal ehrlich: Ja, Menschen wie Bill Gates, Mark Zuckerberg oder Steve Jobs haben ihr Studium abgebrochen und sind erfolgreich geworden. Sie sind aber nicht wegen ihrem Studienabbruch erfolgreich geworden sondern eher trotz des Abbruchs.
Eine fundierte Ausbildung, insbesondere im kaufmännischen Bereich, ist auch für eine erfolgreiche Selbständigkeit absolut grundlegend. Du solltest immer in der Lage sein, die Zusammenhänge in deinem Unternehmen zu verstehen und deine Auswertungen lesen zu können. Dein Unternehmen unterliegt deiner Verantwortung. Wenn du alles beim Steuerberater abgibst, um dann Augen und Ohren zu verschließen, wirst du nie Kontrolle über dein Unternehmen bekommen.
Um die Basics zu verstehen reicht in der Regel Grundlagenliteratur, die es im zunehmenden Maße auch für Selbständige gibt. Außerdem solltest du darauf bestehen, dass dir alles so lange erklärt wird, bis du es wirklich verstanden hast. Das gilt insbesondere für Banktermine und Gespräche mit dem Steuerberater oder Buchhalter.
Falle 5: Schlechte Finanzierung
Bei Start Ups, die Investoren im Boot haben, liegt dieser Fehler nahe. Aber immer wenn fremdes Kapital im Spiel ist, wird die Gegenseite (Investoren oder Banken) auch einen genauen Finanzplan von dir erwarten. Allein dadurch bist du schon dazu gezwungen, dich mit deinen Finanzen zu beschäftigen.
Das große Risiko liegt eher bei den kleinen Soloselbständigen, die im Nebenerwerb, direkt nach dem Studium oder aus der Arbeitslosigkeit heraus gründen.
Viele dieser Gründer machen keinen Finanzplan und machen sich keine Gedanken darüber, wie sie ihr Unternehmen, das zu Beginn eventuell sogar Verluste macht, und ihr privates Leben finanzieren. Häufig wird von Monat zu Monat oder sogar von Woche zu Woche geplant, während das Geld immer weniger wird.
Auch wenn du alleine gründest, finanzielle Reserven hast und keine großen Investitionen anstehen, solltest du dir unbedingt einen Finanzplan machen und überlegen, wie du weiter vorgehst, wenn die Umsatzentwicklung hinter den Erwartungen zurück bleibt oder wenn Kunden nicht zahlen.
Aus meiner Erfahrung kann ich dir empfehlen, dass du dich mit Finanzanalysen der Banken beschäftigst und ggf. sogar einen Banktermin vereinbarst, um einen Kredit zu beantragen. Es geht nicht darum, den Kredit auch wirklich in Anspruch zu nehmen. Es geht eher darum ein Feedback von Profis zu erhalten, wie realistisch sie deine Planung einschätzen.
Falle 6: Überschätzung der eigenen Fähigkeiten
Es ist klasse, wenn du von dir und deiner Geschäftsidee überzeugt bist. Das ist sogar absolut entscheidend, wenn du nachhaltigen Erfolg haben möchtest. Und es ist auch klasse, wenn du so gute Freunde hast, die dich in deinem Vorhaben unterstützen und an dich glauben. Auch das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Du solltest aber nicht den Fehler machen, dass du dich als Superman siehst, der alles besser als andere kann. Du solltest nicht alleine dein Logo designen, deine Webseite programmieren, deine Buchhaltung machen, auf dem Alexanderplatz Flyer verteilen, den Firmenwagen reparieren und deine Kunden betreuen. Arbeite von vornherein mit Experten zusammen und konzentriere dich ganz auf deine Kernkompetenzen.
Suche für ehrliches Feedback auch immer den Kontakt zu fremden Menschen, die dir Rückmeldung zu dir und deiner Idee geben. Das ist wichtig, da deine Freunde und deine Familie dir gegenüber nicht objektiv sein können. Auf vielen Start Up Events kannst du dein Unternehmen pitchen und bekommst anschließend direktes Feedback.
7: Übertriebener Perfektionismus
Gut ist gut, besser könnte aber schon zu viel sein.
Ich bin sehr großer Fan von herausragenden Leistungen und möchte Perfektionismus auch gar nicht schlecht machen. Ich halte es für eine sehr gute Eigenschaft nie zufrieden zu sein und immer nach Verbesserungen zu suchen.
Das gilt allerdings nicht immer. Das Wichtigste ist die Aktion, das Tun. Wenn dich dein Perfektionismus davon abhält mit einer Idee zu starten, dann fängt er an dich zu blockieren. Unperfekt gestartet ist immer besser als perfekt gar nicht erst begonnen.
Wenn du dich bisher noch gar nicht mit dem Lean Modell beschäftigt hast, solltest du es unbedingt tun.
Im Wesentlichen geht es darum, dass du mit einem absolut minimalistischen Angebot (MVP = Minimum viable product) an den Start gehst und es erst im Laufe der Zeit mit Hilfe des Kundenfeedbacks optimierst. Es geht also darum möglichst schnell an den Markt zu gehen, um das Produkt dann maßgenau an die Zielgruppe anzupassen.
Falle 8: Kein Marketingplan
Ein gutes Produkt verkauft sich von ganz alleine. Diesem Irrglaube unterliegt wahrscheinlich jeder einmal. “Das Angebot ist so genial, das werden uns die Kunden förmlich aus den Händen reißen” ist ein typischer Gedankengang, der kurz vor der großen Enttäuschung steht.
Wenn du mir nicht glaubst, nimm einmal ein paar 5 Euro Scheine, gehe in die Fußgängerzone und versuche die Geldscheine an fremde Leute zu verschenken. Ich garantiere dir, dass nicht jeder das Geld nehmen wird. Warum das so ist? Wir sind sehr skeptische Menschen und wir sehen überall Haken und Gefahren.
Wenn du jetzt plötzlich mit einem sensationell gutem Angebot vor mir stehst, sehe ich lauter Probleme und vertraue dir einfach nicht. Und je besser (und unglaubwürdig gut) dein Angebot ist, desto größer sind meine Bedenken.
Das bedeutet für dich und dein Unternehmen, dass du dir immer Gedanken über Marketing und Vertrieb machen solltest. Allein, dass die Leute auf dich aufmerksam werden und von dir hören, ist viel Arbeit. Sie zu überzeugen auch Kunde zu werden, ist mindestens noch einmal so schwer.
Falle 9: Du bist ein Gemischtwarenladen
“Ja, das mache ich auch”
Kennst du diesen Satz?
Wenn dich ein potentieller Kunde fragt, ob du etwas Bestimmtes für ihn machen kannst, laufen wir alle Gefahr das Geld und Potential in diesem Auftrag zu sehen. Wir weichen unser Leistungsangebot gerne ein wenig auf und nehmen Aufträge an, die uns weg von unserer eigentlichen Positionierung führen. Dabei bemerken wir leider nicht, dass wir immer mehr zum Gemischtwarenladen werden und nicht mehr der teure Fachhandel sind, der wir gerne sein möchten.
Natürlich kannst du dich auch als eine Art Hausmeister oder Gemischtwarenladen positionieren, der alles kann und alles verkauft. Aber deine Bezahlung wird dann nie dem eines Spezialisten entsprechen. Erst wenn du eine ganz klare Positionierung hast und in deinem Bereich anerkannter Experte bist, kannst du wirklich hohe Honorare verlangen.
Ausnahme
Gerade zu Beginn der Selbständigkeit oder in späteren Krisenzeiten kann es wichtig sein, dass du Aufträge bekommst, die schnell Geld bringen. In diesen Fällen solltest du natürlich keine Aufträge ablehnen. Du solltest dir aber klar machen, dass das nur eine kurzfristige Ausnahme ist und das auch gegenüber des Kunden so kommunizieren.
Was war dein größter Fehler? Wie schon eingangs geschrieben, sind Fehler wichtig und gut. Nur so lernen wir und können besser werden. Meinen größten Fehler der vergangenen Monate kannst du in meinem letzten Artikel nachlesen.
Was war der größte Fehler, den du in den letzten 12 Monaten gemacht hast? Ich bin gespannt auf den Erfahrungsaustausch.
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Janna Kersting
Chief Editor