Kommt die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige?
Zuletzt aktualisiert am 26. Sept. 2025
Brenton Withers
Content manager
22. März 2019
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Die eigene Rentenversicherung ist bei vielen Selbstständigen die große Schwachstelle überhaupt. Als Unternehmer musst du in erster Linie Chancen und Potenziale erkennen. Du beschäftigst dich den ganzen Tag mit Szenarien, in denen alles gut läuft.
Auch wenn diese optimistische Herangehensweise absolute Grundvoraussetzung für den Erfolg als Selbstständiger ist, so ist dieses Mindset kontraproduktiv bei der eigenen Altersvorsorge.
Viele Selbstständige setzen voll und ganz auf das eigene Unternehmen. Entweder soll es zum Renteneintritt verkauft werden, um anschließend von dem Erlös zu leben, oder es soll so groß werden, dass es ein passives Einkommen bescheren soll. Doch leider funktioniert genau das recht selten und ist als einzige Altersvorsorge hochriskant.
Deswegen habe ich vor Kurzem den Artikel „Altersvorsorge für Selbstständige – optimale Strategien gegen Altersarmut“ geschrieben und darin einen groben Überblick über die sonstigen Vorsorgemöglichkeiten als Selbstständiger gegeben.
Kommt die gesetzliche Rentenversicherungspflicht für Selbstständige?
Anders als Angestellte sind die meisten Selbstständigen nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Sie müssen sich also vollkommen eigenständig um ihre Altersvorsorge kümmern.
Es gibt aber einige Ausnahmen, bei denen das Gesetz schon jetzt eine Rentenversicherungspflicht vorsieht. Das betrifft unter anderem die Berufsgruppe der Lehrer und Erzieher, Pflegekräfte, Hebammen oder aber auch Künstler und Publizisten. Eine vollständige Übersicht bekommst du auf der Seite der Deutschen Rentenversicherung. Diese Selbstständigen müssen – ähnlich wie Arbeitnehmer – einen monatlichen Betrag in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und bekommen später eine gesetzliche Rente.
Neben diesen gesetzlich Pflichtversicherten gibt es eine ganze Reihe von berufsständischen Vorsorgeeinrichtungen. Insbesondere Steuerberater, Architekten, Rechtsanwälte und Ärzte haben berufsspezifische Versorgungswerke, in die die Selbstständigen einzahlen und aus denen sie später eine Rente erhalten.
Übrig bleiben jedoch mehrere Millionen Selbstständige, die bislang keiner Rentenversicherungspflicht unterliegen und deshalb selbst vorsorgen müssen. Viele von ihnen – so befürchtet die Politik – werden im Alter nicht genug Geld zum Leben haben und auf die staatliche Grundsicherung angewiesen sein. Denn gerade kleine Selbstständige oder Freiberufler können oft kaum Rücklagen bilden.
Um dieses Problem zu lösen, will die Politik seit Jahren eine allgemeine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige einführen. Im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass neue Selbstständige ab 2025 verpflichtet werden sollen, für das Alter vorzusorgen – entweder über die gesetzliche Rentenversicherung oder über eine gleichwertige private Vorsorge. Eine endgültige gesetzliche Umsetzung fehlt zwar noch, aber dass etwas kommt, gilt inzwischen als ziemlich sicher.
Fest steht schon jetzt: Der bundeseinheitliche Regelbeitrag liegt 2025 bei 696,57 € im Monat. Existenzgründer zahlen in den ersten drei Jahren nur den halben Regelbeitrag von 348,29 €. Alternativ können Selbstständige auch einkommensgerechte Beiträge zahlen – hier gilt der allgemeine Beitragssatz von 18,6 % des Gewinns.

Möglichkeit 1: Gesetzliche Rentenversicherung für Selbstständige
Die gesetzliche Rentenversicherung funktioniert nach dem Umlageverfahren. Durch den Generationenvertrag zahlen alle Berufstätigen in die Rentenversicherung ein und die Beiträge werden dafür verwendet, die aktuellen Renten zu zahlen. Das Geld wird also nicht gewinnbringend angelegt, es wird in Echtzeit auf die Rentner „umgelegt“.
Die aktuell arbeitende Bevölkerung erwirbt durch die Beitragszahlungen das Recht, später im Alter ebenfalls eine Rente zu erhalten.
Soweit zumindest die Theorie…
In der Praxis funktioniert dieses Modell schon seit Jahrzehnten nicht mehr wirklich und die Situation hat sich seit dem legendären Satz von Norbert Blüm „Die Rente ist sicher!“ (1986) deutlich zugespitzt. Die aktuellen Beitragszahlungen müssen durch Steuergelder kräftig bezuschusst werden, um allen Rentnern die Rente zahlen zu können. 2025 fließen bereits über 120 Milliarden Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt als Zuschuss in die Rentenkasse – Tendenz steigend.
Wie die Situation in 30 oder 40 Jahren aussehen wird, ist schwer abzusehen, und es wäre ein fataler Fehler, wenn man sich als junger Mensch auf die gesetzliche Rentenversicherung verlassen würde. Wenn man nun alle Selbstständigen dazu verpflichten würde, in den öffentlichen Rententopf einzuzahlen, würde sich die Situation etwas entspannen, da die Renteneinnahmen sofort steigen würden.
Allerdings wäre das keine wirkliche Lösung und könnte für alle Selbstständigen und das gesamte Rentensystem ein großer Nachteil werden. Das ganze System der gesetzlichen Rentenversicherung kann so nicht funktionieren und es ist davon auszugehen, dass in wenigen Jahrzehnten kein Rentner mehr von der gesetzlichen Rente leben kann. Wenn man jetzt die Selbstständigen zur Kasse bittet, füllt das zwar kurzfristig die Kassen, es sorgt aber auch für deutlich größere Verbindlichkeiten, da diese Selbstständigen in ein paar Jahren im Rentenalter sind und auch Rente beziehen wollen.
Deswegen ist der Aufschrei der Selbstständigen nachvollziehbar. Eine Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung wäre eine Investition mit sehr unsicherer Zukunft.
Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung
Warum das deutsche Rentensystem nicht funktioniert, hat verschiedene Gründe. Eine grundlegende Reform scheint unausweichbar, aber die Politik spielt (bis jetzt) nur auf Zeit und versucht, Brände zu löschen, statt die Brandursachen zu beseitigen.
Demografische Entwicklung
Die deutsche Gesellschaft wird immer älter. Die Geburtenrate liegt aktuell bei etwa 1,6 Kindern pro Frau, was zur Folge hat, dass es immer weniger Berufstätige gibt und immer mehr alte Menschen, die eine Rente bekommen sollen. Die Last der Rentenzahlungen verteilt sich so auf immer weniger Schultern. Die Konsequenz: immer höhere Beitragszahlungen und immer niedrigere Renten (inflationsbereinigt).
Zu frühes Renteneintrittsalter
Neben den sinkenden Geburtenraten steigt die Lebenserwartung. Die Rentner müssen also deutlich länger „durchgefüttert“ werden als noch vor ein paar Jahrzehnten. Die Anhebung auf 67 Jahre ist längst beschlossen, über eine weitere Erhöhung auf 69 oder 70 Jahre wird aktuell diskutiert.
Besserverdiener und Beamte werden nicht erfasst
Ein weiteres Problem, das von vielen übersehen wird, ist die soziale Verteilung der Beitragszahler. Wie schon kurz erwähnt, haben die meisten Freiberufler wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Ärzte und Architekten eigene Versorgungswerke, in die sie einzahlen. Auch Beamte zahlen nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein, da sie im Alter eine Pension bekommen und keine Rente.
Diese Personengruppen sind jedoch traditionell die Besserverdiener. Und was passiert, wenn man die Besserverdiener nicht mit einer Rentenversicherungspflicht belastet? Die gesetzliche Rentenversicherung wird mehr und mehr zu einem Auffangbecken für sozial Schwächere.
Schon jetzt wird der Unterschied zwischen Grundsicherung und gesetzlicher Rente immer kleiner und manch einer fragt sich, wozu er überhaupt noch in die Rentenversicherung einzahlen sollte, wenn er am Ende ohnehin auf die Grundsicherung angewiesen ist.

Möglichkeit 2: Private Rentenversicherung für Selbstständige
Private Rentenversicherungen funktionieren nicht nach dem Umlagesystem, sondern nach dem Ansparsystem. Deine Beitragszahlungen werden also nicht sofort an die aktuellen Rentner ausgezahlt, sondern werden für dich angespart und investiert. Durch die Beitragszahlungen und die Rendite der Investments entsteht so ein Vermögen, von dem du später im Rentenalter deine Rentenzahlungen erhältst.
Großer Befürworter dieses Rentenmodells ist – welch Überraschung – die Versicherungswirtschaft. Eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige, die eine private Rentenversicherung vorschreibt, wäre ein gigantisches neues Geschäftsfeld für die Versicherungsgesellschaften.
Pro & Contra
Sowohl die Befürworter als auch die Gegner einer Pflichtversicherung für Selbstständige haben gute Gründe, und es gibt wohl keine Antwort, die pauschal richtig oder falsch ist.
Das spricht für eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige
- Viele Selbstständige sind unterversichert und setzen auf ihr eigenes Unternehmen als Vermögenswert. Leider wird dabei das Risiko häufig falsch eingeschätzt.
- Soziale Ungerechtigkeit gegenüber Arbeitnehmern. Viele Selbstständige sind im Alter auf die Grundsicherung angewiesen oder müssen so lange arbeiten, bis sie es gesundheitlich nicht mehr können. Dadurch verursachen sie Kosten, die die Allgemeinheit tragen muss – ohne dass sie vorher einen entsprechenden Beitrag gezahlt hat.
- Der Appell an die Vernunft der Selbstständigen sorgt nicht dafür, dass sich alle Selbstständigen ausreichend absichern.
Das spricht gegen eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige
- Das deutsche Rentensystem mit dem Umlageverfahren funktioniert nicht mehr und die Einbeziehung der Selbstständigen hätte nur einen kurzfristigen positiven Effekt. Langfristig würde es das Problem für beide Seiten verschlimmern.
- Die Einstiegshürden in die Selbstständigkeit wären noch größer, als sie ohnehin schon sind.
- Viele Selbstständige leben schon jetzt am Existenzminimum und könnten von ihrer Arbeit nicht mehr leben, wenn sie zusätzlich mehrere hundert Euro pro Monat in die Rentenversicherung einzahlen müssten.
- Eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige würde mehr Bürokratie verursachen und die Bürger noch mehr bevormunden. So würden Selbstständige, die jetzt schon ausreichend vorsorgen, unnötigerweise in ein System hineingedrängt.
- Selbstständige sind schon jetzt immer flexibler und in der globalisierten Welt steht Deutschland als Wirtschaftsstandort auch mit anderen Ländern in Konkurrenz. Eine pauschale Rentenversicherungspflicht würde unter Umständen dafür sorgen, dass sich Selbstständige im Ausland ansiedeln, wenn sie die Wahl haben.
Fazit
Wenn du nicht arbeiten möchtest, bis du tot umfällst, solltest du dir unbedingt Gedanken über deine Altersvorsorge machen. Es wäre ein Fehler, die Verantwortung abzugeben und zu erwarten, dass sich der Staat „schon kümmern wird“. Deine Zukunft liegt in deiner Hand.
Ich sehe eine gesetzliche Rentenversicherungspflicht für Selbstständige sehr kritisch und glaube nicht, dass das der richtige Schritt wäre.
Ich halte es zwar für wichtig, dass sich auch Selbstständige und Unternehmer rational und nüchtern mit ihrer Zukunft beschäftigen, aber eine Rentenversicherungspflicht würde dafür sorgen, dass der Schritt in die Selbstständigkeit noch größer wird. Wir benötigen in Deutschland aber einen Abbau von Barrieren und Einstiegshürden, wenn wir eine florierende Gründerkultur erreichen wollen. Eine finanzielle Mehrbelastung von mehreren hundert Euro pro Monat ist auf jeden Fall kontraproduktiv und würde viele Gründer abschrecken.
Bevor man private, in Schieflage geratene Versicherungsgesellschaften oder das gesetzliche Rentenversicherungssystem durch solche Gesetze subventioniert, sollte man erst einmal aufräumen und das Rentensystem grundlegend reformieren.
In jedem Fall bleibt es spannend und es ist davon auszugehen, dass sich in den nächsten Monaten/Jahren in diesem Bereich etwas verändern wird, das uns alle betrifft.
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