Der größte Stundensatz-Irrtum
In vielen Ratgebern und Freelancer-Portalen wird vorgeschlagen, die persönlichen Kosten als Ausgangsbasis für die Honorarkalkulation zu nehmen. Davon raten wir aber dringend ab.
Du würdest in eine Gehaltsverhandlung mit deinem Chef bestimmt nicht dein neues Auto und den Hausbau als Gründe für eine Gehaltserhöhung aufführen...Deinem Chef und deinem Auftraggeber ist egal, was du mit deinem Geld machst.
Stellen wir uns nur einmal folgende Konstellation vor: Du machst dich direkt nach deinem Studium als IT-Berater selbständig und nimmst deine privaten Kosten als Grundlage deiner Kalkulation.
Da du bisher mit 1.000,00 Euro ganz gut klar gekommen bist, rechnest du mit diesen Kosten. Nach 5 Jahren bist du aber verheiratet, hast ein Kind bekommen, besitzt ein Auto und willst ein Haus bauen. Damit wenigstens ein Elternteil zu Hause bleiben kann, um auf die gemeinsame Tochter aufzupassen, brauchst du jetzt etwa 3.000,00 Euro pro Monat.
Wie willst du deinem langjährigen Kunden jetzt die Verdreifachung deines Honorars erklären? Deine Leistung und damit auch dein Nutzen für den Kunden sind ja mehr oder weniger gleich geblieben, auch wenn dein Mehr an Erfahrung eine gewisse Erhöhung deines Honorars legitimiert.
Aber es ist besser von vornherein zu berücksichtigen, dass du dein Honorar nicht einfach verdoppeln oder verdreifachen kannst, ohne Kunden zu verärgern oder sogar zu verlieren.
Kalkulation des Stundensatzes als Freelancer
Deswegen kalkulieren wir zur besseren Orientierung hier gemeinsam einen Stundensatz. Du kannst bei deiner eigenen Planung die gleichen Schritte durchgehen und deine eigenen Zahlen berücksichtigen.
Als Kalkulationsbasis nehmen wir den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde (entspricht bei einer 40-Stunden-Woche 1.473,33 Euro/Monat) und das aktuelle Durchschnittsgehalt der Deutschen. Laut dem statistischen Bundesamt (Destatis) verdienen vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Dienstleistungsbereich 3.970,00 Euro pro Monat (2. Quartal 2016). Quelle: Fachserie 16 Reihe 2.1
Das wären bei 30 Tagen à 8 Stunden 16,54 Euro pro Stunde. Doch das ist, wie wir alle wissen, kein angemessener Stundensatz für Selbständige.
Arbeitsfreie Tage
Du arbeitest nicht jeden Tag (hoffen wir!). Auch wenn du vielleicht zu Beginn deiner Selbständigkeit auch mal am Wochenende arbeitest und keinen Urlaub machst, so solltest du diese freien Zeiten in deiner Kalkulation unbedingt berücksichtigen. Ansonsten müsstest du auch später, bei guter Auftragslage, jedes Wochenende ohne Urlaub durcharbeiten.
Ein Kalenderjahr hat 365 Tage, was etwa 52 Wochen entspricht. Es gibt also 52 Samstage und 52 Sonntage, an denen nicht gearbeitet wird. Dazu kommen je nach Bundesland und Jahr noch 9 bis 16 Feiertage. Das Jahr hat also nur 248 Arbeitstage (bei 13 Feiertagen).
Angestellte haben zudem 25 bis 30 Tage bezahlten Urlaub, den Freiberufler auch in ihrer Arbeitszeit erwirtschaften müssen (Wir rechnen mit 28 Tagen).
Außerdem bekommen Arbeitnehmer auch die Tage bezahlt, in denen sie krank im Bett liegen und nicht arbeiten können. Auch das ist bei Selbständigen in der Regel nicht der Fall. Laut dem statistischen Bundesamt beträgt der Krankenstand zurzeit 10,0 Arbeitstage pro Jahr ( 2015, Quelle: destatis ).
Aus- und Weiterbildungstage bekommt ein Angestellter normalerweise auch bezahlt. Wir möchten in diesem Schritt noch gar nicht darauf eingehen, dass Selbständige auch die Kosten der Weiterbildung aus eigener Tasche bezahlen müssen. Es geht uns zunächst einmal nur um den Verdienstausfall an den Fortbildungstagen. Wir rechnen in unserem Beispiel also mit 5 Fortbildungstagen pro Jahr.
Effektiv gearbeitet wird also nur an 205 Tagen pro Jahr (17,08 Tage/Monat) Das Durchschnittsgehalt von 3.970,00 Euro wird also an 17,08 Tagen verdient. Wir kommen so auf einen durchschnittlichen Stundensatz von Angestellten von 29,05 Euro (3.970,00 Euro : 136,64 Stunden).