Was der Koalitionsvertrag der Ampel zu Selbstständigen sagt: Start-ups. Arbeitslosenversicherung und Staatshilfen
Auf Seite 30 steht beispielsweise: „Ziel ist es, Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden zu ermöglichen.“ Insgesamt soll ohnehin alles schneller und digitaler werden. Gerade für Unternehmensgründungen hat die Ampel auch viel übrig: Im Koalitionspapier wird von Innovationsregionen gesprochen und Deutschland als beispielsweise Biotechnologie-Vorreiter.
Insgesamt soll es für Unternehmensgründer einfacher werden. Nebst Bürokratieabbau ist hier auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mehrfach erwähnt. Es handelt sich um eine öffentliche Förderbank, die beispielsweise Zuschüsse zu energetischen Sanierungen, wohnumfeldverbessernden Maßnahmen (im Kontext der Pflegebedürftigkeit) oder Kredite für Gründer gewährt. Inwieweit hier die Möglichkeiten ausgeweitet werden, wird vor allem Start-up-Unternehmer interessieren. Als Solo-Selbstständiger sind die Fördermöglichkeiten in aller Regel begrenzter.
Zur Absicherung von Selbstständigen sagt das Papier auf Seite 69 ff. unter anderem, dass der Zugang zur regulären Arbeitslosenversicherung vereinfacht werden solle. Dies dies solle unter anderem über freiwillig entrichtete Beiträge geschehen. Ziel ist es, die Arbeitslosenversicherung auch für Selbstständig zur Norm zu machen.
Ob dies für dich nun wichtig ist oder nicht: Der Gedanke der Absicherung von Selbstständigen scheint während der Verhandlungen wichtig gewesen zu sein. Ob man dies begrüßt, oder als paternalistisch begreift, sei dahingestellt. Denn weiterhin heißt beispielsweise auch, dass das Konzept hinter den sogenannten Corona-Hilfen beibehalten werden soll.
Das heißt: Wenn Selbstständige durch „höhere Mächte“ wie Pandemien, Umweltkatastrophen und so weiter vorübergehend ohne Einkommen sind, dann soll die Möglichkeit, mit Staatshilfen anstelle von Bürgergeld (so heißt Hartz IV jetzt oder demnächst) Überbrückungshilfen zu schaffen, beibehalten werden. Finanziert werden soll dies durch zu bildende Rücklagen aus Steuermitteln.
Unterm Strich sollen Selbstständige also besser abgesichert werden, Unternehmensgründungen sollen einfacher werden. Zur Frage, wie und ob Selbstständigkeit einfacher werden soll (Entbürokratisierung, Entschlackung von Regularien etc.) findet sich nicht. Steuererleichterungen sind nicht vorgesehen.
Die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige soll kommen
Ab Seite 73 geht um die Altersvorsorge. Auf Seite 75 des Koalitionspapiers findet sich dieser gehaltvolle Absatz, der eine gute und ein paar schlechte Nachrichten für Selbstständige beinhaltet:
„Wir entlasten Selbstständige dadurch, dass Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung oberhalb der Minijobgrenze nur noch strikt einkommensbezogen erhoben werden. Wir werden für alle neuen Selbstständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, eine Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit einführen. Selbstständige sind in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sofern sie nicht im Rahmen eines einfachen und unbürokratischen Opt-Outs ein privates Vorsorgeprodukt wählen. Dieses muss insolvenz- und pfändungssicher sein und zu einer Absicherung oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen. Bei jeder Gründung gilt jeweils eine Karenzzeit von zwei Jahren. Die geförderte zusätzliche private Altersvorsorge steht allen Erwerbstätigen offen.“
(Koalitionspapier der Ampel-Koalition, S. 75, „Absicherung für Selbstständige)
Der erste Satz ist schön, lag doch die untere Beitragsbemessungsgrenze zuletzt bei etwa 1100 Euro monatlich. Für Selbstständige mit geringem Einkommen plus gegebenenfalls einem Minijob (Krankenversicherung über die hauptberufliche Selbstständigkeit) bedeutet dies eine tatsächliche Entlastung.
Der Rest ist allerdings etwas, das man mit Schrecken betrachten kann, weil es viele Unklarheiten gibt. Zum Für und Wider der Rentenversicherungspflicht für Selbstständige wurde hier einiges geschrieben. Das Problem im Absatz im Koalitionsvertrag scheint mir zu sein, dass beispielsweise eine steuerliche weitere Begünstigung bei Zahlungen in private Altersvorsorgeprodukte nicht vorgesehen scheint. Stattdessen ist davon die Rede, dass entweder die gesetzliche Rentenversicherung greift (die nach wie vor defizitär ist, aber immerhin um eine Kapitalstockkomponente ergänzt werden soll), oder aber ein Vorsorgeprodukt gewählt werden muss, das nicht nur insolvenz- und pfändungssicher sein soll, sondern auch eine Art Mindestauskommengarantie braucht. Das klingt einfach nach der Pflicht zur Rürup-Rente. Oder aber, es wird ein weiteres, vermutlich renditearmes (weil überreguliertes) Produkt eingeführt. Wir dürfen gespannt sein.
Unklar ist auch die Formulierung, „alle neuen Selbstständigen“. Was bedeutet dies? Gibt es auch rückwirkend neue Selbstständige (vielleicht nach der Karenzzeit von zwei Jahren) oder meint dieser Satz nur die sich Zukunft selbstständig machenden? Fragen über Fragen – und doch so wenige Antworten.
Der letzte Satz ist auch so etwas, das interpretiert gehört. Insofern mit der zusätzlichen privaten Altersvorsorge die Riester-Rente gemeint ist, ist das tatsächlich neu. Schließlich kann bisher nur riestern, wer auch gesetzlich versichert ist. Viele Selbstständige sind dies nicht. Stünde nun jedem Erwerbstätigen das Riestern offen, so wäre dies (zumindest ab einem bestimmten Einkommen) eine weitere Möglichkeit, vorzusorgen.
Fest steht allerdings: Irgendeine Form von staatlicher oder staatlich regulierter Altersvorsorgepflicht wird auf Selbstständige – wenn wohl auch nicht auf alle – zukommen.