MAIN - Blog Selbständigkeit - "Was bedeutet Rentenversicherungspflicht für Selbständige?"
Zuletzt aktualisiert am 2. Juli 2023
Marlon Thorjussen
Freelance Editor
16. Okt. 2020
Bald Rentenversicherungspflicht für Freelancer? Was das für dich bedeuten kann
Über 4 Millionen Selbständige in Deutschland gibt es. Davon sind gut zwei Millionen Solo-Selbstständige, die meisten davon Freelancer. Bisher gilt hier die Rentenversicherungspflicht für Mitglieder in bestimmten Versorgungswerken und Mitglieder der Künstlersozialkasse. Letztere sind übrigens rentenversicherungspflichtig, weil der Staat meint, dass es sich bei Künstlern und Publizisten um besonders schutzbedürftige Menschen handele, die durch weitere Abgaben ihres Einkommens und die Erwartung auf eine staatliche Rente mit lächerlichem Niveau positiv aufs Altenteil schauen würden.
Genau dieser Fürsorgeanspruch des Staates hat Arbeitsminister Hubertus Heil abermals dazu bewegt, einen Gesetzesentwurf für Ende 2020 anzukündigen: Der „Gesetzesentwurf zur Einbeziehung der Selbstständigen in das System der Alterssicherung“, der SPD-untypisch ohne Bindestriche und Adjektive auskommt, sagt im Grunde, dass du in Zukunft drei Möglichkeiten hast:
- sei Mitglied in einem Versorgungswerk (Anwälte, Architekten, Ärzte, ...)
- zahle in die Rürup-Rente ein
- zahle in die gesetzliche Rentenversicherung ein
Alles zwingt dich dazu, eine staatlich vorgegebene Struktur zur Altersvorsorge zu nutzen. Das ist an sich nicht verwerflich, da der Solidaritätsgedanke aussagt, dass jeder, der es kann, einzahlen sollte, um das System zu finanzieren. Bei Versorgungswerken und Rürup-Rente klappt das recht gut, bei der staatlichen Rentenversicherung genügen die eingezahlten Beiträge schon lange nicht mehr.
Das staatliche Rentenversicherungssystem ist alt und wurde in einer Zeit entworfen, in der der Anteil der Rentenbezieher eher überschaubar war. Zudem blickt Deutschland auf einen zum Glück schrumpfenden Verbeamtetenanteil, der nie in die Rentenkasse eingezahlt hat und selbst hohe Pensionsansprüche aus Steuermitteln genießt.
So ist das umlagefinanzierte Rentensystem heute chronisch unterfinanziert, was unter anderem zu vollen Besteuerungen der Rente ab 2040 führt. Zeitgleich wächst der Anteil der Rentenbeziehenden an, während der Anteil der Einzahlenden schrumpft. Laut Statista haben sich die Ausgaben für Renten binnen 30 Jahren mehr als verdoppelt.
Gleichzeitig hat sich der durch Einzahlungen finanzierte Anteil von über 92 Prozent auf gut 85 Prozent verringert – Tendenz sinkend. Es ist anzunehmen, dass die Finanzierungslücke durch ein paar Millionen einzahlende Selbstständige auch nicht gedeckt würde. Hubertus Heil plant im Übrigen, durch die Beiträge seine „Grundrente“ zu finanzieren.
Nun könnte man an dieser Stelle sehr viel über Sinn und Unsinn sowie die Reformbedürftigkeit des staatlichen Rentenversicherungssystems in Deutschland philosophieren und etwa auf Länder verweisen, die durch kapitalgedeckte Versicherungssysteme, Staatsfonds und großer Wahlfreiheit bei der Altersvorsorge glänzen. Aber das macht nur schlechte Laune und deshalb wollen wir betrachten, was eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige bedeuten kann.
Plötzlich rentenversicherungspflichtig als Selbstständiger – und was nun?
Vorweg: Die meisten Freelancer schaffen es nach ein paar Jahren im Beruf, für ihr Alter vorzusorgen. Dies geschieht über verschiedene Vermögenswerte, die wir auch weiter hinten im Text noch einmal betrachten werden. Seit Jahrzehnten ist es für Selbstständige völlig normal, über eventuelle Vorsorgewerksbeiträge und freiwillige Zahlungen in Versicherungen hinaus privat vorzusorgen.
Das hat den entscheidenden Vorteil, dass du mit schwankenden Einnahmen und Jahresgewinnen auch deine Vorsorgepläne anpassen kannst. Die Bildung deiner finanziellen Rücklagen ist damit dynamisch, was für Freelancer wünschenswert ist.
Die Rentenversicherungspflicht für Freelancer bedeutet hingegen zuerst einmal, dass du keinesfalls keine Altersvorsorge mehr tätigen kannst. Denn dir bleiben ja nur staatliche Rentenversicherung, Rürup-Rente oder Versorgungswerk. Letzteres ist nur für bestimmte Berufsgruppen zugänglich und es scheint nicht so, dass neue Versorgungswerke, etwa für Illustratoren, Texter oder Event-Manager, geplant sind.
Der erste Effekt einer Rentenversicherungspflicht für Freelancer wäre daher: Du musst zahlen, ob du willst oder nicht. Doch wie viel eigentlich?
Das ist eigentlich simpel zu beantworten, denn du würdest im Falle der gesetzlichen Rentenversicherung einfach behandelt werden wie ein Arbeitnehmer – nur, dass du die vollen Beiträge zahlst, da der Arbeitgeberanteil ja entfällt. Folgende Tarife stehen dir dann zur Auswahl:
- aktuell knapp 600 Euro (Westen) bzw. knapp 560 Euro (Osten) als Regelbeitrag
- der halbe Regelbeitrag (aber nur die drei Jahre nach der Gründung)
- einkommensgerechte Beiträge (18,6 Prozent des jährlichen Gewinns; mindestens 83,70 Euro; maximal um 1200 Euro)
- Mitglieder der Künstlersozialkasse (KSK) zahlen die Hälfte
Selbst bei den sogenannten einkommensgerechten Beiträgen kommen so stattliche Summen zusammen, denn 18,6 Prozent vom Gewinn sind viel Geld. Ausgehend davon, dass du vom Gewinn ja auch privat leben musst und eventuell Rücklagen bildest oder Kapitalanlagen aufbaust, verringert sich durch diesen Abschlag deine Sparquote erheblich. Immerhin: Die Vorsorgeaufwände sind steuerlich absetzbar. Dafür wird freilich auch die ausgezahlte Rente besteuert.
Bei einem Jahresgewinn von 15.000 Euro bist du schließlich schon mit 2790 Euro (also 232,50 Euro monatlich) dabei. Gerade bei kleineren Einkommen machen diese Beiträge sehr, sehr viel aus.
Der andere Fall ist die Rürup-Rente, die bei der Berichterstattung über den Gesetzesentwurf zur Rentenversicherungspflicht für Selbstständige oftmals als „Opt-Out“ bezeichnet wird. Hier zahlst du flexibel Beiträge in ein Versicherungsprodukt ein. 90 Prozent der eingezahlten Beiträge (92 in 2021, 94 in 2022, 100 ab 2025) sind steuerlich absetzbar; im Jahr 2020 maximal 22.541 Euro.
Die Rürup-Rente ist ein Modell für Vorsorgende, die nicht in Riester einzahlen oder anderweitig privat vorsorgen. Die Beiträge werden verwaltet, angelegt und schließlich erhältst du lebenslang nach Rentenantritt eine zusätzliche Rentenleistung. Für Näheres kannst du den oben verlinkten Artikel lesen.
Die Rürup-Rente hat also den Vorteil, dass die Beiträge flexibel sind und zudem als Vorsorgeaufwand steuerlich geltend gemacht werden können. Hieraus ergibt sich allerdings, dass vor allem Besserverdiener doppelt profitieren: Sie können die Maximalbeträge einzahlen und das auch noch steuerlich geltend machen. Je nach zu versteuerndem Einkommen bedeutet dies nicht unerheblich Einsparungen.
Bei Geringverdienern und kleinen Selbstständigen taucht wieder die Problematik auf, dass jeder Beitrag schmerzt. Dank der Flexibilität bei den Beitragszahlungen (du kannst sie dir fast ganz aussuchen), fällt das aber weniger ins Gewicht. Der steuerliche Vorteil ist aber dann nicht mehr gegeben, wenn deine Rürup-Beiträge die Menge deines zu versteuernden Einkommens übersteigen.
Rürup-Renten-Anbieter sind zudem alle unterschiedlich, so dass du sie vergleichen musst. Empfehlenswert sind diese, die geringe Verwaltungskosten haben und möglichst viel mit Aktienfonds arbeiten. Eine hohe Quote in Staatsanleihen und anderen Schuldverschreibungen ist in Nullzinsphasen einfach nicht sinnvoll. Zudem sollte der Anbieter transparente Bedingungen haben. Was beispielsweise im vorzeitigen Todesfall mit dem Geld passiert, sollte leicht zu verstehen und zu beeinflussen sein.
Die Versorgungswerke werden an dieser Stelle ausgeklammert: Zum einen gelten sie nur für bestimmte Berufe, wie Ärzte und Anwälte. Und zum anderen haben sie keine komplett einheitlichen Beiträge und die Rentenleistungen werden unterschiedlich stark durch Kapitalanlagen finanziert. Ansprüche an Beiträge und Leistungen sind bei den entsprechenden Versorgungswerken zu erfahren.
Das Problem bei Einzahlungen in die staatliche Rente oder die Rürup-Rente ist vor allem dann gegeben, wenn die Beiträge so gering sind (kleine Einkommen), dass der Rentenanspruch unterhalb der Grundsicherung liegt. Dann wird aufgestockt, was eigentlich nur heißt, dass du umsonst eingezahlt hast. Grundsicherung kriegt nämlich auch, wer gar keinen nennenswerten Rentenanspruch hat.
Da hilft auch die Grundrente nichts, denn die kriegt nur, wer 35 Jahre lang eingezahlt hat. Im Falle einer plötzlichen Versicherungspflicht für Selbstständige werden so genügend zusammenkommen, die keine 35 Jahre mehr einzahlen werden, weil sie schlichtweg an die 40 Jahre alt sind.
Eine Rentenversicherungspflicht für Freelancer würde also zweitens bedeuten: Selbständige mit geringem Einkommen verlieren mehr finanziellen Handlungsspielraum als Gutverdiener.
Wenn du übrigens im Falle dessen, dass du freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlst (oder in Zukunft musst), wissen möchtest, wie viel du abführen musst – Kontist arbeitet gerade an einem Tool.
Wie eine Rentenversicherungspflicht zum Existenzrisiko werden kann
Die meisten Selbstständigen sorgen fürs Alter vor. Dass dies mal mehr und mal weniger gut gelingt, liegt auf der Hand. Schließlich sind Einkommen schwankend und die persönliche Sparquote ist von der Lebensführung abhängig. Dennoch ist festzuhalten, dass eben vorgesorgt wird, wie es passt. Statistisch gesehen ist es zwar so , dass in etwa doppelt so viele Selbstständige im Alter Grundsicherung beziehen wie ehemalige Angestellte – 2016 waren das 3,7 Prozent.
Das ist nicht schön, aber in Ordnung. Selbstständigkeit bedeutet auch höhere Risiken. Und ob diese Menschen nicht vorgesorgt haben oder einfach nie viel hatten, ist nicht geklärt. Es ist zumindest nicht so, dass viele Selbstständige nicht vorsorgen, sondern offensichtlich nur ein kleiner Anteil – aus welchen Gründen auch immer.
Eine Einzahlungspflicht in Rentenversicherungssysteme würde allerdings bedeuten, einen großen Teil dieser Freiheit bei der Gestaltung der Altersvorsorge zunichtezumachen. Sie führt dazu, dass monatlich fixe Kosten entstehen. Nun magst du dir denken, dass diese ja immerhin zu einer Rente werden könnten. Aber im Grunde ist es so, dass weder staatliche Rente noch Rürup-Rente (und alle anderen Formen von Versicherungsprodukten dieser Art) garantieren, dass du auch mindestens das herausbekommst, was du einzahlst. Zudem sind Rentenansprüche aus der staatlichen Rente schlichtweg unattraktiv und frustrierend.
Die staatliche Rente ist außerdem ein umlagefinanziertes System. Du zahlst einen Euro ein, der dann verwaltet und verteilt wird. Woanders kommt der Euro abzüglich Verwaltungskosten an. Dass das nicht funktionieren kann, wenn die Beiträge nicht ausreichen, ist klar.
Bei Rürup-Renten gibt es hingegen garantierte Verzinsungen, die so marginal sind, dass sie zwar noch das Sparbuch schlagen, aber selbst mit der Performance des DAX nicht mithalten können (und der ist im Vergleich zu anderen Aktien-Indizes wirklich nicht besonders gut). Zudem kommen bei Rürup-Renten und anderen Versicherungen Abschluss- und Verwaltungskosten hinzu. Dein Geld wird also angelegt, von der Rendite bleibt aber wenig. Immerhin: Wenn du lange genug lebst und wirklich viel eingezahlt hast, lohnt es sich durchaus.
Drittens würde eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige bedeuten: Unrentable Vorsorgesysteme würden zur Pflicht werden und die Möglichkeit, finanziell sinnvoll vorzusorgen, einschränken.
Ein Problem (das auch viele Angestellte haben) ist zudem mangelnde Rentabilität: Beide Rentenmodelle, staatlich und Rürup, sind im Vergleich zu selbst organisierter Vorsorge finanziell unattraktiv. Die staatliche Rente kann zudem bei niedrigen Beiträgen trotzdem – wie erwähnt – zur Grundsicherung führen.
Neben der schlechten Rentabilität kommt dann eben die Verpflichtung der Abgabe als solche hinzu. Wenn du dich für die Rürup-Rente entscheiden solltest, ist davon auszugehen, dass hier Mindestbeiträge definiert werden. Schließlich ist es auch Ziel des Gesetzesentwurfs, dass alle Selbstständigen eben über den Staat oder im vergleichbaren Rahmen (gemeint werden wohl Beitrags- und Leistungshöhen) versichert werden.
Nicht zu vergessen ist zudem das ganz konkrete Existenzrisiko, dass zu hohe und nachzuzahlende Sozialabgaben ohnehin bedeuten können: Schließlich kann es auch mal passieren, dass etwas schief geht. Da ist es angenehmer, sich nicht auch noch um Forderungen der Rentenkasse sorgen zu müssen, wenn du ganz konkret um deine berufliche Existenz fürchtest.
Das Problem mit den hohen Sozialabgaben trifft Selbstständige ja ohnehin: Schließlich zahlen sie, bis auf KSK-Versicherte, 100 Prozent selbst. Dass hier ein paar nicht gezahlte Beiträge schnell das Ende einer wirtschaftlichen und beruflichen Existenz – und damit eines ganzen Lebensentwurfs – bedeuten können, erschließt sich.
Viertens bedeutet eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige: Belastungen durch Beiträge in finanziell unsicheren Zeiten erhöhen das Risiko für einen wirtschaftlichen Kollaps.
Warum Wahlfreiheit bei der Altersvorsorge besser ist und wie die Ausgestaltung einer Vorsorgepflicht für Selbstständige aussehen könnte
In einem tragfähigem und auskömmlichen Rentensystem spräche nichts dagegen, alle Steuerpflichtigen zu Einzahlern zu machen – auch Beamte und Selbstständige. Dieses Rentensystem ist aber nicht gegeben. Auch Rürup, Riester und Co. sind nicht für jeden attraktiv und zudem in Teilen ineffizient.
Gerade, weil das so ist, es die Wahl der richtigen Altersvorsorge für Freelancer so wichtig. Gute Erfahrungen machen viele beispielsweise mit Kapitalanlagen. Auch dazu wurde bei Kontist schon viel geschrieben und für die Basics sei dir dieses Webinar mit Michael Katzmann ans Herz gelegt. Er erklärt hier sehr einsteigerfreundlich, wie es funktioniert, warum es funktioniert und warum es wichtig ist.
Die Kernaussagen sind derweil folgende:
- Bargeld ist keine gute Anlage (und das Sparbuch auch nicht)
- fange mit ETFs (mehr dazu hier) an und nie mit Einzelaktien
- das staatliche Rentensystem ist nicht finanzierbar, aber sozial
- man muss vor allem anfangen
Das alles sei an dieser Stelle einmal so unterschrieben. Tatsächlich ist es so, dass Investitionen in den breiten Markt über Jahrzehnte stets eine attraktive Rendite ermöglichten. Das heißt: dein Geld hat sich vermehrt und das dank Zinseszinseffekt nicht zu knapp. Gleichzeitig gilt: Wer lange dabei ist, profitiert durch den Zinseszinseffekt mehrfach. Wer global investiert, senkt sein Risiko enorm. ETFs sind das Mittel der Wahl, wenn du es automatisiert und möglichst risikoarm magst. Einzelaktien erfordern Wissen, Mut und Zeitaufwand.
Andere Möglichkeiten, privat für das Alter vorzusorgen sind:
- private Versicherungsprodukte unterschiedlicher Attraktivität
- Anlagen in Sachwerten
- Immobilien
- Festgeld und Tagesgeld
- Unternehmensbeteiligungen
- Peer-to-Peer-Kredite
Es gibt noch einige andere Möglichkeiten. Der Punkt ist: Selbstständige haben es bisher im Gros geschafft, sich um ihre Altersabsicherung zu kümmern. Dies gelang auch ohne den Baustein einer Zwangsmitgliedschaft in einem Rentensystem.
Kommt die Rentenversicherungspflicht für Selbstständige, fehlt ein großer Teil dieser Freiheit schlichtweg. Dabei gehört es zum Selbstständigsein, Freiheit bei der Planung des Lebensentwurfs in Anspruch zu nehmen und zu leben. Sich selbst um seine Finanzplanung zu kümmern, ist ein ganz wesentlicher Punkt.
Während die Idee aus dem Arbeitsministerium unterstellt, es sei sinnvoll, die Altersvorsorge eines Freelancers möglichst unflexibel, dafür aber regelmäßig und reguliert zu gestalten, ist die Realität einfach eine andere. Insofern wäre es wünschenswert, einfach Anreize zur Altersvorsorge zu schaffen. Hier einfach nur mit der Absetzbarkeit von Vorsorgebeiträgen in marode Systeme sowie vermeintliche Sicherheit zu argumentieren, ist albern.
Dass private Vorsorge oder wenigstens eine solidargemeinschaftliche Vorsorge in kapitalgedeckten Rentenversicherungssystemen zu deutlich mehr angehäuftem Kapital und damit zu höheren Rentenniveaus führt, weiß man andernorts schließlich auch.
Entsprechend wäre der goldene Mittelweg – so es denn so wichtig sei, dass alle Selbstständigen nachweislich vorsorgen –, mehr Vorsorgeformen steuerlich zu begünstigen – von der Sachanlage über den Kapitalaufbau bis hin zur Abkehr von der perversen Idee, eine Altersrente überhaupt zu besteuern.
Dass eine Rentenversicherungspflicht das Problem eines schlecht aufgebauten Rentensystems zudem nicht löst, ist vor allem durch zwei Punkte bedingt: Zum einen reichen auch die Beiträge von Millionen Selbstständigen nicht aus, um die Finanzierungslücke zu decken (und gleichzeitig entstehen so neue Rentenansprüche). Und zweitens kannst du ja auch über das Versorgungswerk (in einigen Fällen) oder über die Rürup-Rente vorsorgen.
Der Nutzen für die Solidargemeinschaft ist also nicht gegeben und es geht im Grunde nur darum, dass der Staat meint, er müsse auf Selbstständige besser aufpassen – oder eben so die Grundrente beziehungsweise „Respekt-Rente“ finanzieren (ein Schelm, wer Böses dabei denkt).
Dass er uns damit Handlungsspielraum nimmt und die finanzielle Belastung bei Selbstständigen mit kleineren Einkommen und solchen in Krisen noch zusätzlich erhöht, ist vermutlich nicht durch Bosheit, sondern durch Dummheit zustanden gekommen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Gesetzesvorschlag einfach verschleppt wird (im Gespräch war er ja auch schon unter Ursula von der Leyen).
Derzeit wirkt er eher wie ein Konstrukt, das Selbstständigkeit erschweren soll, wie in diesem Artikel von Catharina Bruns schön ausformuliert wird.
Fazit
Eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige soll also (wieder einmal) kommen. Grundsätzlich spricht wenig dagegen, sich staatlich für eine Altersvorsorge bei Selbstständigen stark zu machen. Allerdings ist das über die Rentenkasse oder Rürup für viele finanziell doppelt unattraktiv:
- die Belastung ist durch die vollen Beiträge einfach hoch
- die zu erwartende bezogene Rente ist auf einem viel zu niedrigem Niveau
Die Frage ist also eher, warum nicht insgesamt – und nicht nur für Selbstständige – die Altersvorsorge viel flexibler gestaltet und gefördert wird. Dass es wichtig ist, fürs Alter vorzusorgen, steht ja außer Frage. Ob eine Versicherungspflicht für Selbstständige, die ohnehin häufig mit hohen Abgaben zu kämpfen haben, ein Schritt in die richtige Richtung ist, sei aber an dieser Stelle bezweifelt. Schließlich zeigt die Erfahrung, dass die meisten es eben auch so schaffen.
Insofern die Rentenversicherungspflicht kommt, musst du wohl neu rechnen, wie viel von deinem Geld bleibt. Außerdem kannst du dann deine bisherige Finanzplanung über Bord werfen. Sollte das Vorhaben aber abermals verschleppt werden (und auch bis dahin), solltest du dir dennoch Gedanken um deinen Ruhestand machen. Schließlich ist Altersarmut etwas, wogegen sich jeder einzelne durchs Sparen, Anlegen, Investieren und Versichern absichern kann. Und das sollte möglichst früh begonnen werden.